Die
Ureinwohner Australiens werden als Aborigines bezeichnet.
Sie selbst benennen sich mit unterschiedlichen Stammesnamen.
Jede Gruppe, bestehend aus 20 bis 200 Personen, bewegt(e)
sich traditionell in einem mythisch festgelegten Territorium,
in dem sie auf der Suche nach Nahrungsmitteln umherzog. Die
Männer machten mit Speeren und Wurfkeulen Jagd auf Kängeruh,
Oppossum und Emu, sowie auf Vögel und Kleinwild. Der
Hauptteil der Nahrung wurde von Frauen in schlichten Holzschalen
und Tragebeuteln gesammelt. Die gesammelte Nahrung bestand
aus Beeren, Früchten, Blättern, Samen; Wurzeln und
Knollen wurden mit einem Grabstock ausgegraben. Auch Eidechsen,
Ratten, Würmer und Larven wurden verzehrt - als besondere
Delikatesse galten Honigameisen. Die Aborigines verfügten
über wenig materiellen Besitz. Alles Eigentum mußte
leicht und transportabel sein, da keine Lasttiere vorhanden
waren. Metall- und Tonverarbeitung waren unbekannt. Zum Schutz
gegen die Witterung wurden einfache Wandschirme errichtet.
|
Der
einfachen materiellen Kultur steht eine komplexe und vielfältige
spirituelle und soziale Kultur gegenüber.
Über 500 Stämme sprachen mehr als 250 verschiedene
Sprachen. In den Lokalgruppen gab es weder Häuptlinge
noch Priester; angesehene Ältere überwachten die
Einhaltung sozialer Regeln und Riten. Sie waren die Bewacher
der Mythen und interpretierten und erklärten ihrer Gruppe
die spirituelle Welt.
Durch die ursprüngliche Lebensweise im Einklang mit der
Natur und sich selbst, lebten die Aborigines ein glückliches
Dasein und geben auch noch heute uns, dem sog. "modernen"
Menschen, Hinweise auf ein Paradies, das die Erde sein kann.
Dabei darf die fast völlige Vernichtung dieser Urbevölkerung
nicht vergessen werden:
Im Jahre 1788 wurde Australien von den Engländern besiedelt.
Es begann eine systematische Ausrottung der Aborigines. Ab
1900 wurden Reservate eingerichtet und ihnen 1967 Bürgerrechte
zuerkannt. 1992 wurde die terra nullius Doktrin, mit der zuvor
die Briten das Land für unbewohnt erklärt hatten,
widerrufen.
Jeder Aborigine stand in einer engen mystischen Beziehung
zu einem Totem, einer Pflanzen- oder Tiergestalt.
Personen, die dasselbe Totem hatten, bildeten einen Klan und
galten als miteinander verwandt. Auch durften sie nicht untereinander
heiraten. Kompliziert wurden Verwandtschaftsverhältnisse
auch dadurch, daß ein Mann mit mehreren Frauen verheiratet
sein konnte. Das Wissen, wer zu wem in welcher verwandtschaftlichen
Beziehung stand, oblag den Alten.
|
Durch
Symbole und Rituale ständig in Verbindung mit der Vorzeit
Nach Robert Lawlor läßt sich die Sexualität
der Aborigines in drei Bereiche einteilen: Zur sozialen Seite
der Liebe zählen die Ehe und die damit verbundenen Bräuche
und Rituale. Zur persönlichen Seite der Liebe gehören
außereheliche Beziehungen, in denen die Bedürfnisse
der oder des einzelnen erfüllt werden können, die
sich mit denen der Stammesgemeinschaft nicht decken.
Die rituelle Seite der Liebe dient der Freisetzung der wilden,
ursprünglichen erotischen Kräfte der Traumzeit,
um eine Verbindung zur Macht der Ahnenwesen und der Natur
herzustellen.
Die Traumzeit der australischen Ureinwohner ist
jene mythische Epoche, in der die Welt von einer Vielzahl
von Vorfahren geschaffen wurde. Die Ahnen kamen aus der Erde
und gingen singend über sie hinweg. Was sie sangen, nahm
Gestalt an. Ihr Gesang erschuf die Welt. Die Wege zogen sich
wie ein Netz über den Kontinent. Als die Ahnen müde
wurden, gingen sie durch Quellen, Felsen, Hügel oder
Teiche zurück in die Unterwelt. Diese Orte und Wege,
auf denen sie gingen, sind bis heute heilig.Alle Erschei nungsfomen,wie
Mensch, Tier, Pflanze und Landschaft, hatten ihren eigenen
Traum und damit zugeordnete Symbole oder Rituale. Hiermit
wurden die Spuren der Vorfahren nachempfunden und ihre spirituelle
Energie gefeiert und wieder neu belebt. So bestand eine ständige
Verbindung zu der Vorzeit und der Ursprungskraft. In dieser
Kosmologie spielt die Zeit im ewigen Kreislauf des Werdens
und Vergehens keine Rolle. Die Aborigines kennen keinen Zeitbegriff.
Das einzig Bedeutende ist die Wiederkehr der Monde, Zeiten
der Zeugung, des Wachstums, der Reife und der Ernte von Anbeginn
bis in Ewigkeit. Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges
gehen ineinander über und formen ein Weltbild, das von
einem allumfassenden Schöpfungsglauben beseelt ist und
auf der Erinnerung an den Ursprung des Lebens beruht. Die
Aborigines nennen die Kräfte und Mächte, die die
Welt erschaffen haben, ihre Schöpferischen Ahnen,
der Schlüsselbegriff ihres Pantheismus ist der Traum.
Robert Lawlor erklärt den Schöpfungsmytos in seiner
Kulturgeschichte Am Anfang war der Traum (Droemer
Knaur, 1993) wie folgt:
Als Wesen waren die großen Ahnen unermessliche
und ungebundene, immaterielle Substanz... Sie erschufen, indem
sie aus sich selber Vibrationsenergie zogen und diese Energie
verfestigten..... Die vergleichbare Vorstellung ist das Hervorbringen
von Tönen,Wörtern oder Liedern aus Atemschwingungen.
Die Aborigines sagen denn auch, daß in der Traumzeit-Schöpfung
die Welt ins Leben gesungen wurde.... Auch was
die Menschen schaffen, besteht zunächst als subjektiver,
energiegeladener Bewußtseinszustand: Träume, Ahnungen
und Gedanken, die sich , wie ein Pendel, hin zur Vergegenständlichung
in der äußeren Welt bewegen. Hat das Bewußtsein
einmal an einer äußeren Erschaffung teilgenommen,
schwingt es von einer stofflichen Wirklichkeit wieder zu einem
subjektiven Zustand zurück. Diese Rückkehr, die
wir Erinnerung nennen, bildet die Grundlage allen Seins. Mit
ihren täglichen rituellen Tänzen und Liedern feiern
die Aborigines die Bewegung vom Subjektiven zum Gegenständlichen,
durch die die Welt geschaffen wurde. Diese Auffassung bestimmt
jeden Aspekt ihres täglichen Lebens.
Die ganzheitliche, panvitalistische (die Lehre, nach der das
gesamte Weltall lebendig ist; d. Red.) Sicht der Aborigines
ist sowohl kollektiv als auch subjektiv, bewußt und
sensualistisch (Sensualismus: Lehre, nach der alle Erkenntnis
allein auf Sinneswahrnehmungen zurückführbar ist;
d. Red.).
Das Didgeridoo - ein Werkzeug zur Bewußtseinserweiterung
Jeder Teil der Natur ist sowohl geistig als auch materiell.
In jedem Stein ist der Samen, d.h. die energetische
Kraft enthalten, aus dem z.B. ein Werkzeug wie ein Faustkeil
geboren wird, und auch ein Didgeridoo ist nicht
einfach nur ein Blasinstrument, sondern die Wandlung eines
Bambusrohres oder Eukalyptusastes in ein Werkzeug der Bewußtseinserweiterung,
der Erforschung der Natur und der Heilung.Die Ureinwohner
Australiens lauschen in der Natur den Lauten der Tiere, des
Donners, der Bäume und des Wassers, um sie dann so genau
wie möglich auf dem Didgeridoo nachzuahmen. So stellt
diese Musik eine Verbindung zwischen dem Bewußtsein
und den unsichtbaren Gesetzen und Energiemustern der Natur
dar.Neben dem Hauptinstrument der Aborigines, dem Didgeridoo,
wurden für Musik, Tanz und Rituale außerdem Click-Sticks,
Bumerangs und Schwirrhölzer verwendet.
|
"Der
klingende Stock" - die "Trompete der Regenbogenschlange
Archäologen schätzen das Alter der ersten Blasrohre
auf etwa 20 000 Jahre. Von Nordaustralien verbreitete sich
das Didgeridoo allmählich über das ganze Land. Der
Name bedeutet angeblich klingender Stock und mythologisch
ist es u.a. die Trompete der Regenbogenschlange. Diese hauchte
den vier Schöpfungswesen das Leben ein, so daß
der Schöpfungsprozeß, der zuvor unterbrochen war,
fortgesetzt werden konnte.
Eine der Geschichten über die
Entstehung des Didgeridoos: Vor langer Zeit sammelte eine
Frau des Stammes im Busch Holz für das Feuer. Eines der
Holzstücke, die sie auf dem Rücken trug, war hohl,
aber sie wußte es nicht. Als sie auf ihrem Fußmarsch
in einen Sturm kam, wurde sie andauernd von einem seltsamen
Klang verfolgt. Sie ging an ihren Stammesangehörigen
vorbei, die sie wegen ihres Klanges sofort verfolgten. Sie
fanden den hohlen Ast in ihrem Gepäck und dachten, wenn
der Wind dort solch wunderschöne Töne erzeugt, warum
sollten wir es nicht auch können?....
Die
Zeitlosigkeit erfahren
Es ist beeindruckend, welch kunstvolle und rhythmische Musik
mittels eines Grundtones entsteht. Ein tiefes, erdiges Vibrieren,
begleitet von starken Modulationen, eine weite Klangräumlichkeit
bis hin zu Obertönen. Wichtig ist auch die nach etwas
Übung erlernbare Zirkuläratmung. Diese Atemtechnik
birgt den Zustand der Zeitlosigkeit in sich. Über einen
begrenzten Zeitraum besteht die Möglichkeit, die Zeitlosigkeit
eines Kreises bzw. Kreislaufes zu erfahren.
Ursprünglich wurden Didgeridoos aus Bambusrohren oder
aus von Termiten ausgehöhlten Eukalyptusästen hergestellt.
Die hatten eine Länge von ein bis zwei Meter mit einem
Durchmesser von 3 bis ca. 8 cm. Die künstlerische Bemalung
erfolgte u.a. mit Tier- und Geistwesendarstellungen unter
Einbeziehung von geometrischen Mustern. Heutzutage ist das
Didgeridoo ein wichtiges Musikinstrument, das bei internationalen
Orchestern und Musikgruppen, aber auch in der Musiktherapie
und bis hin zum Atemtraining eingesetzt wird.
startseite
|
|